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Kerstin Kersandt:  Lehrerhandreichung zum Thema "Zwangsarbeiterinnen im Raum Mainz-Wiesbaden in der Zeit des Zweiten Weltkrieges"

Thematischer Überblick [Forsetzung]

Im Gau Hessen-Nassau mit seinen zwölf Arbeitsamtsbezirken konzentrierte sich das Zentrum des Fremdarbeitereinsatzes eindeutig auf den überwiegend industriell geprägten Arbeitsamtsbezirk Frankfurt, auf ihn entfielen am 15. Mai 1943 37.971 (35,9%) aller für Hessen-Nassau registrierten zivilen ausländischen Arbeiter und Angestellten. An zweiter Stelle aber folgte bereits der Arbeitsamtsbezirk Mainz mit 13.647 (12,9%) Fremdarbeitern. Wiesbaden dagegen rangierte bei der regionalen Verteilung der Ausländer auf die einzelnen Arbeitsamtsbezirke des Gaues mit seinen 5.793 (5,5%) hier gemeldeten fremdstämmigen Arbeitskräften noch hinter Gießen (10,2%), Darmstadt (9,3) und Wetzlar (5,6) nur im Mittelfeld [5].

Auskünfte zur zahlenmäßigen Dimension und zum strukturellen Charakter der Ausländerbe-schäftigung auf der Ebene der Stadtkreise Mainz und Wiesbaden geben - unter gewissen Vorbehalten - die Unterlagen der DAF, Gauwaltung Hessen-Nassau, Hauptstelle Arbeitsein-satz, Stelle Lagerbetreuung. Diese Abteilung führte Buch über die im Gaugebiet unter DAF-Obhut stehenden Ausländerunterkünfte sowie über deren Belegungsstärke nach Volkstums-zugehörigkeit und Geschlecht (M 2). Ein Manko bei der Auswertung dieser DAF-Listen be-steht allerdings darin, dass einzig solche ausländischen Arbeitskräfte erfasst sind, die in einem Industrielager lebten und in aller Regel zur Belegschaft der größeren Firmen vor Ort gehörten. Das heißt, alle diejenigen, die eine Stelle in der Hauswirtschaft, in einem kleineren Handwerksbetrieb oder auf einem Bauernhof bekleideten und meistens privat untergebracht waren, bleiben unberücksichtigt. So tauchen beispielsweise für den Stadtkreis Wiesbaden Polinnen überhaupt nicht und für den Stadtkreis Mainz nur sehr vereinzelt in der Statistik auf, obwohl während des Krieges durchaus innerhalb der Stadtgrenzen anzutreffen. Dies liegt daran, dass die polnischen Arbeitskräfte hauptsächlich in der Landwirtschaft der Region Verwendung fanden.

Genauere Angaben sind nur zu den osteuropäischen Arbeitskräften in Wiesbaden möglich. Im dortigen Stadtarchiv befindet sich die von der örtlichen Polizeibehörde damals angelegte Meldekartei für Ukrainer, Polen und Sowjetbürger. Die aus dem Osten eintreffenden Arbeits-kräfte mussten sich bei den lokalen Ordnungshütern zur Registrierung melden. Es wurden in doppelter Ausfertigung Karteikarten mit Photos und Fingerabdrücken erstellt, die Kopie ging an das RSHA in Berlin. Die Polizeibeamten vermerkten auf den entsprechenden Formularen wichtige persönliche Daten wie Name, Staatsangehörigkeit, Herkunftsort, Geschlecht der ausländischen Arbeitskräfte. Platz für Einträge über den Beginn des Arbeitsverhältnisses, über Arbeitgeber, Arbeitsplatzwechsel sowie Unterkunft bot die Rückseite der Karten (M 51).

Im Stadtarchiv Wiesbaden existiert mittlerweile eine auf der Grundlage dieser Meldekartei angefertigte elektronische Datenbank. Diese eröffnet dem Benutzer die Möglichkeit, zu ein-zelnen Punkten gezielte Abfragen zu starten. Allerdings führte die zuständige Polizeistelle das Registrieren der osteuropäischen Arbeitskräfte anscheinend keineswegs immer mit der geforderten Sorgfalt durch. Teilweise unterblieben wichtige Angaben, oder Personen, die anhand anderer Dokumente innerhalb der Stadt nachweisbar sind, fehlen in der Kartei völlig [6]. Tendenziell gewähren die verfügbaren Daten jedoch durchaus Einblicke in die quantitativen Verhältnisse des lokalen Ausländereinsatzes (M 3). Prinzipiell bestätigen sich für Wiesbaden die reichsweiten Trends; der Frauenanteil unter den Menschen aus der Sowjetunion lag hier aller-dings noch fast 15% höher als auf Reichsebene. Die Sowjetbürgerinnen stellten allein über die Hälfte aller osteuropäischen Arbeitskräfte (Polen, Ukrainer, Sowjetbürger).

[5] Der Arbeitseinsatz in Hessen, Nr. 1/7 v. Juli 1943, HHStA 483/4477a.
[6] Außerdem lässt die Kartei keine Rückschlüsse zu auf die Zahl der Ausländer aus Osteuropa in den damals zu Mainz gehörenden heutigen Wiesbadener Vororten Amöneburg, Kostheim und Kastel.

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