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Hedwig Brüchert: Zwangsarbeit 1939-1945 – der "Arbeitseinsatz" von zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in den Regionen des heutigen Landes Rheinland-Pfalz.

Überwachung durch die Gestapo, Verhaftungen und Strafen:

Kleine Vergehen, wie das "unerlaubte Verlassen des Arbeitsplatzes", das Beschaffen und Eintauschen von Brotmarken, das "Stehlen" einiger Äpfel oder Kartoffeln aus Hunger, Widerworte gegen einen Vorgesetzten oder "Arbeitsverweigerung", konnten für "Ostarbeiter" schwerwiegende Strafen nach sich ziehen. In jedem Lager war eine Arrestzelle vorgeschrieben. Die Strafe konnte Essensentzug, eine Lohnkürzung, Arrest oder Prügel bedeuten. In vielen Fällen wurden die "Sünder" jedoch auch der Gestapo gemeldet. Dann drohte umgehende Verhaftung und die mehrwöchige Einweisung in ein "Arbeitserziehungslager", wo die Arbeitsbedingungen noch härter und das Essen noch karger war. Oft waren die Häftlinge dort auch brutalen Misshandlungen ausgesetzt. Im Wiederholungsfall drohte die Einweisung in ein Konzentrationslager.

Beispiele:
Der Ukrainer Nikolaj Trokal war 1942 als Sechzehnjähriger nach Deutschland gekommen. Er arbeitete zuerst bei der Reichsbahn, dann beim Bauhof Hessen-Nassau und war zeitweise in der Goetheschule in Mainz einquartiert. Bei einem Fluchtversuch im Mai 1944 wurde er verhaftet und für sechs Wochen in das gefürchtete Arbeitserziehungslager Frankfurt-Heddernheim eingewiesen.
Dokument: Brief des Nikolaj Trokal

In Wissen an der Sieg wurden noch im März 1945 zwei sowjetische Zwangsarbeiterinnen hingerichtet. Ihr "Verbrechen": Nach dem verheerenden Luftangriff vom 11. März, dem viele Zwangsarbeitskräfte zum Opfer gefallen waren, hatten sie vor dem zerstörten Kaufhaus Becher einige auf der Straße verstreute Textilien aufgehoben und mitgenommen.

Besonders streng geahndet wurden sexuelle Kontakte zwischen "Ostarbeitern" und deutschen Frauen. Dieses strikte Vorgehen hing mit der Angst der Nationalsozialisten vor einer "Rassenvermischung" zusammen, die das "reine deutsche Blut" gefährdete. Wie die Polen, so wurden auch die sowjetischen Männer in der Regel ohne Gerichtsverfahren sofort erhängt oder erschossen.

Nach den ernsten Rückschlägen für die Wehrmacht an der Ostfront, beginnend mit der verheerenden Niederlage von Stalingrad, nahm die Angst bei den deutschen Sicherheitsorganen vor Sabotage und offenem Aufruhr innerhalb der sowjetischen Arbeitskräfte zu, wie die regelmäßigen Geheimberichte des SD und der Gestapo belegen. Die Überwachung der Ausländer wurde verstärkt, die Post der "Ostarbeiter" und "Ostarbeiterinnen" in ihre Heimat wurde streng zensiert. Trotz der Überwachung gibt es auch aus Rheinland-Pfalz vereinzelte Hinweise auf gemeinsam organisierten Widerstand von deutschen Arbeitern und sowjetischen Zwangsarbeitern in Betrieben. Wegen der notwendigen Geheimhaltung der Aktivitäten ist darüber jedoch nur sehr wenig überliefert.
Dokument: Bericht der SD-Außenstelle Mayen an den SD-Abschnitt Koblenz vom 13.3.1943

Ein Beispiel hierfür ist die "Speyer-Kameradschaft". Unter diesem Namen organisierte sich ab Anfang 1943 ein Kreis von Hitlergegnern, der zunächst Spenden zur Unterstützung der Familie des inhaftierten Ernst Thälmann sammelte. Bald wurden von diesem Kreis auch konspirative Kontakte zu polnischen und sowjetischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitskräften in der Region Speyer aufgebaut. In Waldsee bei Speyer diente die Gastwirtschaft "Zur Pfalz" als Treffpunkt für die "Ostarbeiterinnen" und Polen aus der Region, wo auch politische Informationen weitergegeben wurden. Im Frühjahr 1944 wurde ein großer Teil der Mitglieder der "Speyer-Kameradschaft" verhaftet, gleichzeitig mit ihnen auch mindestens vier "Ostarbeiterinnen" aus dem Lager der Flugzeugwerke Saarpfalz. Mehrere der verhafteten deutschen Frauen und Männer wurden zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilt. Über das weitere Schicksal der sowjetischen Frauen, die von der Gestapo abgeholt wurden, ist nichts bekannt.

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