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Günter Henkel: Ein Brief aus Bjelorussland

Im gleichen Schreiben werden konkret Großrussen, Bjelorussen und Ukrainer als ethnische Gruppen genannt, die bis dahin n i c h t das für Polen bestimmte Kennzeichen "P" tragen mussten. Auch für die schon zu dieser Zeit entrechteten Polen gibt es im Stadtarchiv Montabaur Listen mit 205 Namen, von denen 119 - wohl Kriegsgefangene - seit 1940 in Montabaur arbeiteten. [4] Um einer Solidarisierung zwischen Deutschen und Polen durch gemeinsamen Gottesdienst vorzubeugen, erließ Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Sprenger (Wehrkreis XII) am 22. Juni 1940 eine Bestimmung, nach der "deutsche Kirchen zur Abhaltung der für die polnischen Arbeitskräfte eingerichteten Gottesdienste n i c h t zur Verfügung gestellt werden dürfen." [5]

Der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 hatte rasch zu erheblichem Landgewinn geführt. Bis November 1941 standen deutsche Truppen im Norden vor Leningrad, hatten in der Mitte die Vorstädte von Moskau erreicht und kämpften im Süden um Charkow. - Die deutschen Verluste an Material und an Menschen zwangen aber schon zu dieser Zeit, nicht nur in Frankreich, Belgien, Holland, der Tschechoslowakei und Polen, sondern auch in Russland Arbeitskräfte zu rekrutieren. Schon im November 1941 regte die Reichsvereinigung "Kohle" den Einsatz "von Bergarbeitern aus dem Erzgebiet von Kriwoj-Rog" [6] an, und ab dem gleichen Monat erfolgte der Abtransport von "zunächst 6.000 von den vorgesehenen 10.000 bis 12.000 Bergarbeitern ... in geschlossenen Transportzügen unter Bewachung". [7] Der Bombenkrieg eskalierte ab 1942 und erforderte neue Maßnahmen. Im Programm Sauckels, des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, heißt es am 20. April 1942, dass es gilt, "vor allem Zivil- und Facharbeiter und -arbeiterinnen aus den Sowjetgebieten vom 15. Lebensjahr ab für den Arbeitseinsatz zu mobilisieren ... Alle diese Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, daß sie bei denkbar sparsamsten Einsatz die größtmögliche Leistung hervorbringen. ... Die Arbeitskraft dieser Leute muß in größtem Maße ausgenutzt werden." [8] Bis Ende 1944 wurden so 1.900.000 sowjetische "Männer, Frauen und Kinder aufgegriffen, nach Deutschland verschickt und unter oft unvorstellbaren Bedingungen zur Arbeit gezwungen." [9]

[4] Stadtarchiv Montabaur, Abt. 5 Nr. 37.
[5] Stadtarchiv Montabaur, Abt. 4 Nr. 1344.
[6] Flick-Prozess, Dok. NI-4102, zit. nach: Anatomie des Krieges. Neue Dokumente über die Rolle des deutschen Monopolkapitals bei der Vorbereitung und Durchführung des zweiten Weltkrieges, hrsg. u. eingel. v. D. Eichholtz und G. Schultze. Berlin 1971, S. 364f.
[7] Ebd.
[8] Staatsarchiv Weimar, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz, Nr. 491, zit. nach: Anatomie des Krieges (wie Fußnote 6), S. 393-395.
[9] Alan Bullock, Hitler - Eine Studie über Tyrannei. Düsseldorf 1960, S. 697.

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