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Eginhard Scharf: Die Verfolgung pfälzischer Frauen wegen "verbotenen Umgangs" mit Ausländern

Es vermag kaum zu verwundern, dass in einem Staat, der sich selbst geradezu durch Rassismus und Ausländerfeindlichkeit definierte, auch in der Pfalz vielen Zeitgenossen die Maßnahmen der Gestapo gegen deutsche Frauen andererseits noch nicht weit genug gingen. Zum Sprachrohr solcher radikalen Meinungen - von Funktionsträgern des NS-Staates gerne zur Haltung "der Bevölkerung" erklärt - machte sich der Frankenthaler Landrat Karl Bernpointner, als er im Frühjahr 1942 unter Überschreitung seiner Kompetenzen von der Gestapo die Verhaftung einer Bäuerin in Tiefenthal zu erzwingen versuchte, die ein Kind von einem polnischen Zivilarbeiter erwartete. Der Landrat berief sich dabei auf die tiefe Empörung der Bevölkerung. [52] In Herxheim am Berg gerieten im Juli 1940 eine 53-jährige Landhelferin und ihre 20-jährige Tochter in Konflikt mit den Polizeibehörden, weil sie freundschaftliche Kontakte zu polnischen Kriegsgefangenen unterhielten. Gegenüber der Gendarmerie behauptete der Ortsgruppenleiter und Bürgermeister, "die Bevölkerung" würde die Einschaffung der beiden angeblich außerhalb der Dorfgemeinschaft stehenden Frauen in ein Konzentrationslager "mit Genugtuung beachten". [53] Aufschlussreich erscheint in dieser Hinsicht auch der Tenor der Stimmungsberichte, die die Gestapo jeweils nach der Erhängung von Polen an ihrem früheren Einsatzort unter der Dorfbevölkerung erheben ließ: Regelmäßig wurden in den betroffenen Gemeinden Stimmen laut, es sei bedauerlich, dass in derartigen Fällen die beteiligten Frauen nicht auch dazu aufgehängt würden. [54]

Wenn nach verbotenem Umgang eine Schwangerschaft eingetreten war, drängte die Gestapo Neustadt jeweils auf eine Klärung der Abtreibungsfrage. War die "Nichteindeutschungsfähigkeit", also die angebliche "rassische Minderwertigkeit" des polnischen Kindsvaters festgestellt, beantragte die Gestapo Neustadt bei der Gutachterstelle für Schwangerschaftsunterbrechungen der ärztlichen Bezirksvereinigung in Neustadt die Abtreibung aus eugenischen Gründen. [55] Zu einem ärztlichen Eingriff war allerdings die Zustimmung der Schwangeren erforderlich. Falls die hierzu sehr schmale Quellenbasis ein realistisches Bild zeichnet, bereitete die Durchführung des Schwangerschaftsabbruches der pfälzischen Gestapo erhebliche Probleme - einerseits, weil die betroffenen Frauen einen Eingriff rundweg ablehnten [56], andererseits, weil die hierzu notwendigen Feststellungsverfahren, darunter die Eindeutschungsüberprüfung, so viel Zeit erforderten, daß wegen bereits weit vorangeschrittener Schwangerschaft eine Abtreibung ohne Gefahr für das Leben der Mutter nicht mehr möglich war.

 

[52] LA SP Best. H 91 Nr. 3851 fol. 38.
[53] Bericht des Gendarmerie-Postens Freinsheim vom 9. Juli 1940 an die Gestapo, LA SP Best. H 91 Nr. 3503.
[54] LA SP Best. H 91 Nr. 524, 4225, 5943.
[55] Vgl. die Stellungnahme des Gesundheitsamts Neustadt vom 3. November 1942 zu den Abtreibungsmöglichkeiten in diesen Fällen, LA SP Best. H 91 Nr. 6649 fol. 19.
[56] Vgl. hierzu das Fallbeispiel in LA SP Best. H 91 Nr. 524, bes. fol. 21.

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