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Eginhard Scharf: Die Verfolgung pfälzischer Frauen wegen "verbotenen Umgangs" mit Ausländern

Selbst von vielen eingefleischten Nationalsozialisten unter den pfälzischen Juristen wurden Aktionen wie die öffentliche Anprangerung der Frauen [45] oder die willkürliche "Schutzhaft"-Praxis der Gestapo mißbilligt. Bei den Bemühungen, die Strafhoheit über die deutschen Frauen zu erhalten, zeigten manche Staatsanwälte und Richter vergleichsweise großes Engagement, mit Entschiedenheit sprach man sich an den pfälzischen Landgerichten im Herbst 1942 auch gegenüber dem Reichsjustizministerium gegen eine Erweiterung des gesetzlichen Umgangsverbotes mit Ausländern auf die polnischen Zivilarbeiter aus.[46] Im Fall eines 15-jährigen Mädchens aus Frankenthal scheiterte der Versuch der Gestapo, dieses der Fürsorgeerziehung zu übergeben, am erbitterten Widerstand der Eltern und der Haltung eines beherzten Richters am Frankenthaler Amtsgericht. [47] Einem Staatsanwalt am Landgericht Kaiserslautern gelang es im März 1943, eine wegen verbotenen Umgangs ins KZ Auschwitz deportierte Bäuerin aus dem KZ in den Justizgewahrsam zu überführen. Sie wurde anschließend vom Amtsgericht Kaiserslautern zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, unter Anrechnung von neun Monaten der bereits verbüßten zweijährigen KZ-Haft. [48] Als eine 35-jährige Ludwigshafenerin, Mutter von sechs Kindern, anlässlich des Heimaturlaubes ihres Ehemannes 3-wöchigen Hafturlaub aus dem KZ Ravensbrück erhielt, bewahrten sie wohlwollende Atteste eines Amtsarztes und ein angebliches Versehen der Ludwigshafener Polizei im Herbst 1944 vor der Rückführung ins Konzentrationslager. [49]

Das Insistieren des Reichssicherheitshauptamtes auf einem harten Kurs gegenüber Frauen, die verbotene Ausländerkontakte unterhalten hatten, war ein unausgesprochenes Eingeständnis für das zumindest partielle Scheitern einer rassistischen Bevölkerungspolitik, die von Teilen der Landbevölkerung nicht mitvollzogen wurde. Aber selbst im Reichssicherheitshauptamt scheint es in der Frage der Vorgehensweise gegen die "abtrünnigen Frauen" gelegentlich abweichende Auffassungen gegeben zu haben. Während die Berliner Behörde von der Gestapo Neustadt eingereichte Gesuche um Strafverschonung auch in besonderen Härtefällen abschmetterte [50], erhielt im Herbst 1942 andererseits sogar der Neustadter Kriminalsekretär Köhl über die Saarbrücker Dienststelle wegen angeblich mangelnder kriminalistischer Fähigkeiten eine Rüge mit dem Bemerken, es könne "nicht Aufgabe der Geheimen Staatspolizei sein, deutsche Frauen und Mädchen, die mit Fremdvölkischen Geschlechtsverkehr hatten, nach einem 08/15-Schema ins Konzentrationslager zu stecken." [51] Der Tadel aus Berlin stand in merkwürdigem Widerspruch zu der radikalen, unerbittliche Linie, die das Reichssicherheitshauptamt selbst gegenüber den deutschen Frauen in den GV-Fällen vorgezeichnet hatte.

 

[45] LA SP Best. H 91 Nr. 3503.
[46] Zur Haltung der Justiz Scharf, Politische Polizei (1995), S. 718-723.
[47] LA SP Best. H 91 Best. 6830.
[48] LA SP Best. J 73 Nr. 215; Scharf, Politische Polizei (1995), S. 720-721.
[49] LA SP Best. H 91 Nr. 1282.
[50] Selbst als die Gestapo Neustadt im August 1943 Straffreiheit für eine 44-jährige protestantische Tagnerin in Einöllen (Kreis Kusel) erwirken wollte, weil diese sieben Kinder und einen im Ersten Weltkrieg schwer kriegsbeschädigten Ehemann zu versorgen hatte, bestand das Reichssicherheitshauptamt auf der Verbüßung einer dreimonatigen Schutzhaft. LA SP Best. H 91 Nr. 4098.
[51] Schreiben des Saarbrücker Kriminalkommissars Franz Biereth, der in der Saarpfalz den Staatsterror gegen die Fremdarbeiter leitete, an die Außenstelle Neustadt vom 17. September 1942, LA SP Best. H 91 Nr. 1391 fol. 24.

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