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Eginhard Scharf: Die Verfolgung pfälzischer Frauen wegen "verbotenen Umgangs" mit Ausländern

Bei nachgewiesenen intimen Beziehungen zu osteuropäischen Kriegsgefangenen verhängte das Sondergericht Saarbrücken meist Strafen zwischen 1 1/2 und 2 Jahren Zuchthaus. Wie bei verbotenem Umgang mit französischen Kriegsgefangenen wurden auch hier von der Justiz in einzelnen Fällen besonders harte, exemplarische Strafen verhängt: So verurteilte das Landgericht Kaiserslautern am 25. Mai 1943 die 36-jährige geschiedene Landwirtsfrau Laura P. aus Föckelberg (Kreis Kusel) wegen verbotener Geschlechtsbeziehungen zu Polen und Abtreibung zu vier Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust. [36] Die Verurteilte starb am 10. April 1944 im Zuchthaus Ziegenhain. Die KZ-Haft, die die Gestapo insbesondere bei verbotenem Umgang mit osteuropäischen Zivilarbeitern gegen pfälzische Frauen verhängte, war meist im Frauen-KZ Ravensbrück zu verbüßen und übertraf die in vergleichbaren Fällen von der Justiz ausgesprochenen Strafen an Dauer. [37] Minderjährige Mädchen konnten der Fürsorgeerziehung übergeben [38] oder ins Jugendschutzlager Uckermarck [39] überwiesen werden. Eine bevorzugte Behandlung genoss die oben erwähnte BDM-Führerin: Die Gestapo gestattete es ihr, die 5-monatige Schutzhaft statt im KZ im Amtsgerichtsgefängnis Ludwigshafen zu verbüßen. [40]

In der pfälzischen Bevölkerung gingen anscheinend die Meinungen über die praktizierte Frauenverfolgung weit auseinander. Aus unterschiedlichen Motiven heraus versuchte man offenbar in den Gemeinden nicht selten, GV-Vorfälle vor der Gestapo zu verheimlichen und es erst gar nicht zur Einleitung polizeilicher Ermittlungen kommen zu lassen. [41] Nach der Verhaftung einer Beschuldigten durch die Gestapo setzten mitunter deren Eltern oder sonstige Angehörige alle Hebel in Bewegung, um durch Bittschreiben ans Reichssicherheitshauptamt [42] oder auf anderem Wege - unter Einschaltung parteitreuer Rechtsanwälte sowie im Einzelfall auch der Gauleitung [43] - die Aufhebung des "Schutzhaft"-Befehls zu bewirken. Wenn es sich bei den Verfolgten um verheiratete Frauen handelte, setzten sich ihre Ehemänner energisch für sie ein und versuchten durch Vorsprache bei Gestapo und Justiz sowie allen möglichen Stellen die Freilassung der Inhaftierten zu erreichen. [44]

 

[36] LA SP Best. J 73 Nr. 213.
[37] Z.B. LA SP Best. H 91 Nr. 261, 524, 1282.
[38] LA SP Best. H 91 Nr. 4225.
[39] LA SP Best. H 91 Nr. 474, 3398.
[40] LA SP Best. H 91 Nr. 5943. Das Amtsgerichtsgefängnis Ludwigshafen verfügte unter allen pfälzischen Justizgefängnissen über die größte Zahl von Frauengefangenenplätzen (18). Eginhard Scharf, Strafvollzug in der Pfalz unter besonderer Berücksichtigung der JVA Zweibrücken. In: NS-Justizdokumentation Rheinland-Pfalz (1995), S. 757-849; hier S. 775.
[41] LA SP Best. H 91 Nr. 441 u. 3851.
[42] Z.B. in LA SP Best. H 91 Nr. 1391.
[43] Offensichtlich stieß aber auch die Gauleitung, wenn sie sich einmal zugunsten einer KZ-Insassin verwandte, bei der SS auf taube Ohren. LA SP Best. H 91 Nr. 261.
[44] LA SP Best. H 91 Nr. 1282 und 5367; Bericht des Amtsgerichtsdirektors in Ludwigshafen vom Oktober 1942, wörtlich zitiert im Lagebericht des Frankenthaler Landgerichtspräsidenten Dr. Hösch vom 26. Oktober 1942, LA SP Best. J 1 Nr. 1226.

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