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Eginhard Scharf: Die Verfolgung pfälzischer Frauen wegen "verbotenen Umgangs" mit Ausländern

Die polizeiliche Geschlechtsverkehrskontrolle als Zwangsmittel zur Umsetzung der ideologisch begründeten Forderung nach Trieb- und Glücksverzicht wurde von manchen der verfolgten Pfälzerinnen zweifellos als männlich-chauvinistische Anmaßung empfunden. Insbesondere einige der älteren, lebenserfahrenen Frauen, welche für sich das Recht auf die Verwirklichung individueller Lebens- und Glücksvorstellungen in Anspruch nahmen, reagierten auf das Eindringen der Polizei in ihr Intimleben mit strikter Ablehnung; sie verweigerten den Ermittlern die Zusammenarbeit, stritten so lange wie möglich und hartnäckig den Tatvorwurf ab, brachten aber die Beamten, die zum Teil mit unverkennbarem Voyeurismus die Einzelheiten des stattgefundenen Geschlechtsverkehrs registrierten und Nachforschungen über das sexuelle Vorleben der Frauen anstellten, damit nur vorübergehend in Beweisnöte. [23] Zu besonders scharfen Formulierungen griff Kriminalsekretär Köhl in seinen Vernehmungsprotokollen, wenn das selbstbewusste Auftreten der Beschuldigten seiner Einschätzung nach in christlich-religösen Überzeugungen und der Bindung an die Kirche verankert war. Eine katholische Winzerstochter charakterisierte er mit den Worten:

"Bei der Jäger [24] handelt es sich um ein herrisches bazziges Mädchen, einer [!] sogenannten Betschwester, die noch behauptet, der Staat sei an allem Schuld, daß sie sich mit dem Polen eingelassen habe, da unsere Leute alle fort seien... Die Tat selbst ist für sie harmlos und hat sie darüber nur ein Lachen." [25]

In einem anderen Fall urteilte er über eine von einem Polen geschwängerte Bäuerin, die die von der Gestapo geforderte Abtreibung verweigert hatte:

"Becker [26] ist die typische Betschwester, die nur das tut, was der katholische Pfarrer für gut hält." [27]

In mindestens zwei Fällen löste die Aufdeckung der verbotenen Liebesbeziehung bei den betroffenen Frauen Panikreaktionen aus, trieben Scham und Schuldgefühle, die Furcht vor hochpeinlichen Polizeiverhören, der gesellschaftlichen Ächtung und der zu erwartenden Bestrafung die Frauen in den Freitod: Die von ihrem Schwager denunzierte 31-jährige "Kriegerwitwe" Elisabeth B. in Kerzenheim (Kreis Kirchheimbolanden), der die Festnahme drohte, vergiftete sich im September 1942 durch Einnahme von Essigessenz. [28] Die 31-jährige Bäuerin Karoline G. in Bisterschied (Kreis Rockenhausen), Mutter zweier kleiner Kinder, erhängte sich im Juni 1942 fühmorgens in ihrer Wohnung, weil sie nach der Verhaftung "ihres Polen" wegen eines Streites mit einem Deutschen fälschlicherweise annahm, dass die Polizei Kenntnis von ihrem verbotenen Liebesverhältnis erhalten hätte. [29]

Weibliche Kriminalpolizei, die das Verhör und die Ermittlungen gegen die Frauen hätten übernehmen können, gab es zu dieser Zeit in der Pfalz nicht. [30]

 

[23] Vgl. z.B. LA SP Best. H 91 Nr. 3622.
[24] Name vom Autor geändert.
[25] LA SP Best. H 91 Nr. 261 fol. 11.
[26] Name vom Autor geändert.
[27] LA SP Best. H 91 Nr. 524 fol. 11.
[28] LA SP Best. H 91 Nr. 2313.
[29] LA SP Best. H 91 Nr. 5596.
[30] Vgl hierzu den Gestapo-Aktenvermerk in LA SP Best. H 91 Nr. fol. 30'.

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