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Eginhard Scharf: Die Verfolgung pfälzischer Frauen wegen "verbotenen Umgangs" mit Ausländern

Während Fälle verbotener Liebesbeziehungen zu Franzosen sowohl in den pfälzischen Städten als auch im ländlichen Lebensraum auftraten, war der mit noch härteren, staatspolizeilichen Strafsanktionen bekämpfte "verbotene Geschlechtsverkehr" mit Polen (und anderen osteuropäischen Ausländern) ein bis auf ganz wenige Ausnahmen an das ländliche Milieu als Schauplatz geknüpftes Delikt. Fast immer handelte es sich in den Polenfällen bei den weiblichen Opfern staatspolizeilicher Verfolgungsmaßnahmen um Landarbeiterinnen, Bäuerinnen und Winzerinnen. Regionale Verfolgungsschwerpunkte der Gestapo lagen dabei in der Pfalz, wenn man hierzu die "Sonderbehandlungsfälle" als Quellengrundlage heranzieht, in den Landkreisen Neustadt, Frankenthal und Kirchheimbolanden. Schon aufgrund der intimen Natur der strafbedrohten Handlungen muss es bei diesem Delikt eine hohe Dunkelziffer gegeben haben. [18]

Vernehmung einer 30-jährigen "Reichsdeutschen" wegen verbotener Beziehungen zu einem polnischen Zivilarbeiter durch die Gestapo Ludwigshafen. Auszüge aus dem Vernehmungsprotokoll.

Wenn sich die mit der Fremdarbeiterüberwachung überforderte Gestapo, die gerne an ausgewählten Opfern Exempel statuierte, zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entschloss, mag dabei neben dem Zufall auch ein gewisses Opfer-Selektionsverfahren nach (pseudo-)moralischen, sozialen und polizeitaktischen Faktoren eine wichtige Rolle gespielt haben. Die wegen verbotener intimer Beziehung zu Ausländern verhafteten Pfälzerinnen waren zumeist ledigen Standes oder verwitwet; nur in wenigen Einzelfällen kam es vor, daß die Gestapo einer verheirateten Frau den Ehebruch mit einem Fremdarbeiter nachwies. [19] Als signifikantes Merkmal lässt sich in den Fällen sexuellen Verkehrs mit Polen zudem bei den Paaren vielfach ein erheblicher Altersunterschied feststellen: Es kam sowohl zu Kontakten der meist im Lebensalter zwischen etwa 18 und 30 Jahren stehenden Polen mit sehr jungen, noch minderjährigen Mädchen als auch mit wesentlich älteren Frauen, die bereits das Lebensalter von Dreißig oder Vierzig überschritten hatten. [20] Hinsichtlich des gesellschaftlichen Status der "Täterinnen" ist eine relativ breite Streuung zu beobachten: Unter den Verfolgten befanden sich sowohl Frauen mit Außenseiterstatus ("Sonderlinge" [21]) als auch Mädchen, die aus den "respektablen" Familien von Parteigenossen und Ortsbauernführern stammten; in Forst an der Weinstraße wurde sogar eine BDM-Führerin verbotener intimer Kontakte überführt. [22]

 

[18] Eine selbst von Verfolgungsmaßnahmen betroffene Nordpfälzerin sagte in den sechziger Jahren aus, es sei seinerzeit in ihrem Dorf "allerhand vorgefallen", nur einzelne Frauen habe "man erwischt". LA SP Best. J 72 Nr. 464 VIII fol. 811.
[19] LA SP Best. H 91 Nr. 1282, 3851, 5367.
[20] Die Frauen waren mitunter mehr als zwanzig Jahre älter. Z.B. LA SP Best. H 91 Nr. 3622.
[21] Bericht des Gendarmeriepostens Niederkirchen bei Kaiserslautern, LA SP Best. H 91 Nr. 524 fol. 18.
[22] LA SP Best. H 91 Nr. 5943.

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