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Eginhard Scharf: Die Verfolgung pfälzischer Frauen wegen "verbotenen Umgangs" mit Ausländern

Die Praxis der vom NS-Staat betriebenen Kriminalisierung allgemein-menschlicher Verhaltensweisen im Umgang mit Ausländern ist für die Pfalz durch die Aktenüberlieferung der Gestapostelle in Neustadt an der Weinstraße [9] verhältnismäßig gut dokumentiert. Die Neustadter Gestapoakten bestätigen auf eindrucksvolle Weise, dass sich die staatlichen Sanktionsmaßnahmen bei verbotenen Kontakten mit Ausländern während der NS-Herrschaft in erster Linie gegen die deutschen Frauen als Zielgruppe richteten. Für den Deliktbereich "Verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen“ lässt sich dies mit folgenden Zahlen belegen: Von 100 Gestapoakten, die von uns als Quellenbasis für eine statistische Auswertung herangezogen wurden, enthielten zu diesem Delikt 76 (also mehr als drei Viertel) Ermittlungen gegen deutsche Frauen, davon entfielen 49 auf vermutete bzw. nachgewiesene Liebesbeziehungen zwischen deutschen Frauen und ausländischen Kriegsgefangenen.

In 73 von 100 Fällen waren es französische, nur in 22 Fällen polnische Kriegsgefangene, die nach Einschätzung der pfälzischen Sicherheitskräfte zu enge Kontakte zur pfälzischen Bevölkerung unterhielten.

Die Analyse dieser Aktengruppe aus der Neustadter Gestapo-Überlieferung zeigt, dass französische Kriegsgefangene als "Liebhaber" bei den pfälzischen Frauen besonders hoch im Kurs standen. "Blinden Liebeswahn" diagnostizierte beispielsweise der für die Fremdarbeiterverfolgung zuständige Neustadter Gestapobeamte Karl Köhl als Ursache für das Verhalten der 20-jährigen Cäcilia Vogt [10] aus Herxheim bei Landau, die "ihrem Franzosen" heimlich mehrere Briefe zugesteckt hatte; sie wurde vom Amtsgericht Landau deswegen im September 1942 zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. [11]

 

[9] Die Neustadter Gestapoakten werden im Landesarchiv Speyer im Bestand H 91 verwahrt.
[10] Name vom Autor aus Datenschutzgründen geändert.
[11] LA SP Best. H 91 Nr. 1266 fol. 11'.

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