zurück zur Startseite
 

Michael Martin: Zwangsarbeiter in Landau

Wenn der Landauer Bürgermeister in einem Rundschreiben an die Betriebe im Juni 1944 mitteilte: "Voraussichtlich werden in absehbarer Zeit die Ostarbeiter in der Verpflegung den anderen ausländischen Arbeitern gleichgestellt" [23], dann lag er damit zwar auf der Linie, die Fritz Sauckel, 1942 von Hitler zum "Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz" ernannt, in einem Rundschreiben vom März 1943 so formuliert hatte: es sei ein Gebot "der kalten Vernunft", die "fremden - also auch die sowjetrussischen - Arbeitskräfte pfleglich" zu behandeln, denn, so wörtlich, "unterernährte, dahinsiechende, unfreiwillige, verzweifelte und haßerfüllte Sklaven ermöglichen niemals eine höchste Ausnutzung ihrer unter normalen Bedingungen erzielbaren Leistungen". [24] Aber die Realität dürfte anders ausgesehen haben. Insbesondere weisen die in den Sterberegistern des Friedhofs- und Standesamtes festgehaltenen Todesursachen auf schlimme hygienische Zustände hin:

Sieht man einmal von den zahlreichen Todesfällen bei Luftangriffen ab, dann gab es bei den Zwangsarbeitern, besonders bei den russischen, immerhin 60 Fälle von Tuberkulose und 41 Todesfälle durch Fleckfieber, eine Krankheit, die laut medizinischem Lexikon "in Gefolge von Krieg, Hunger und Elend" auftritt. Die bereits erwähnten Entlausungsaktionen dienten im Übrigen speziell der Bekämpfung von Fleckfieber. Diese beiden Krankheiten traten in Landau zu dieser Zeit in der Tat nur bei den Zwangsarbeitern und nicht bei der einheimischen Bevölkerung auf.

Kräfteverfall, Körperschwäche und Ödeme sind weitere Todesursachen, deren Entstehen nur erahnt werden kann. Dass das acht Tage alte Baby der ukrainischen Arbeiterin Pyrka aus Nußdorf wenige Tage nach seiner Geburt an Lebensschwäche starb, fügt sich in das trostlose Bild der Verhältnisse ein.

Tragische Schicksale verbergen sich auch hinter der Anmerkung des Landauer Friedhofbeamten beim Todesfall des italienischen Kriegsgefangenen Giuseppe Borbone am 24. November 1944: "Erschießung bei Fluchtversuch in Hambach oder Rhodt", heißt es hier - oder im Falle des 28-jährigen französischen Kriegsgefangenen Henri Fournier, der am 8. Oktober 1941 versucht hatte zu fliehen und dabei auf der Eisenbahnstrecke Landau-Winden tödlich verunglückte. [25]

Diese Einzelschicksale trüben doch gewaltig die weit verbreitete Vorstellung von Zwangsarbeitern als wohlgelittene Mitarbeiter in Privathaushalten, wie sie sich, wenn überhaupt, im kollektiven Volksgedächtnis erhalten hat.

 

[23] StA LD A II 2637.
[24] Freundlicher Hinweis von Michael Caroli: Zitat aus einem Fernschreiben Sauckels vom 15.3.1943. In: Stadtarchiv Mannheim, Straßenbahnamt, Zug.-/1954, Nr.65, Personal.
[25] StA LD Best. Friedhofsamt "Liste der Ausländer, die auf dem Besatzungsfriedhof in Landau in der Pfalz beerdigt sind. Stand 20.Oktober 1950" und Standesamtsakten (Sterbeakten) 1941.

[zurück]  [weiter]

Hinweis: Diese Webseite wird vom IGL auch Jahre nach Abschluss des Projekts weiterhin zur Verfügung gestellt. Die unten angezeigten Inhalte sind aber veraltet und spiegeln möglicherweise nicht den aktuellen Forschungsstand wider. (Klicken Sie auf diese Meldung, um sie auszublenden.)