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Dr. Benedikt Descourvières: Zwangsarbeit in Deutschland und Worms 1939-1945

II. Didaktische Einführung

Das Thema Zwangsarbeit eröffnet dem problemorientierten Geschichtsunterricht wertvolle Perspektiven für die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit ihrer Geschichte. Die Sachrelevanz des Themas hat Volker Brecher ausführlich und fundiert dargelegt, so daß sich hier ihre weitere Erörterung erübrigt.

Neben der Sachrelevanz weist das Thema aber auch eine überzeugende Schülerrelevanz auf. Die unsägliche Diskussion um die zögerlichen Entschädigungszahlungen der deutschen Industrie gehört zwar nunmehr selbst wieder der Geschichte an, aber sie hat unlängst mehr als deutlich gezeigt, in welchem Maße die NS-Geschichte unser Denken und Handeln beeinflußt -- leider nicht immer zu Gunsten der Opfer. Im Gegenteil: die bereits zwischen 1933 und 1945 wirksamen Legitimationsstrategien für das eigene schuldhafte Verhalten wirken bisweilen bis heute fort und führen zu eklatanter Ignoranz gegenüber dem historischen Unrecht, das Deutschland zu verantworten hat.

Die historischen Ausmaße, Ursachen und Folgen für die Betroffenen der Zwangsarbeit im Geschichtsunterricht aufzuzeigen, erfüllt daher ein zentrales Anliegen dieser Unterrichtssequenz, das sich mit der Forderung des Lehrplans Geschichte für Rheinland-Pfalz deckt, den Schülern "die Auswirkungen der NS-Herrschaft auf einzelne Lebensbereiche und das Verhalten der Menschen beispielhaft" [1] aufzuzeigen. Gleichermaßen genügt die Sequenz dem Anspruch des Lehrplans, im Rahmen des Themenbereichs Deutschland und Polen im Wandel der Beziehungen die "Auswirkungen der NS-Herrschaft auf Polen und Deutschland" [2] zu veranschaulichen, da ein Großteil der Zwangsarbeiter aus Polen stammte.

Neben der historischen Kontinuität, die das Thema sinnfällig macht, birgt es zudem die Chance, an die Schüler die Frage heranzutragen, welche Handlungsmöglichkeiten es denn überhaupt in gesellschaftlichen Zwangsverhältnissen gibt. Der Umgang mit Zwangsarbeitern in verschiedenen Fabriken zeigt einmal mehr, daß auch und gerade in NS-Deutschland subjektive Charakterstärke gefordert und möglich war. Es gab eben nicht den unumstößlichen Zwang für alle, die brutale Rassenideologie der Nazis im eigenen Alltag mit Tritten und Demütigungen zu verstärken. Es gab weiterhin nicht nur die Alternative 'Mitmachen oder Wegschauen'. Glücklicherweise wachsen die Jugendlichen heute nicht in einer NS-Diktatur auf, gleichwohl sind sie gefordert, in sozialen Alltagssituationen Position zu beziehen und sich gegebenenfalls gegen bestehende Zwänge und Vorurteile durchzusetzen. Sie in dieser ethischen Auseinandersetzung zu bestärken und sie mit der charakterlichen Herausforderung zu konfrontieren, für die eigene Überzeugung und das eigene Gewissen gegen den herrschenden Diskurs einzutreten, gehört sicherlich zu den didaktischen Stärken dieses Themas. Nicht nur curricular, sondern auch entwicklungspsychologisch eignet sich die Behandlung der Zwangsarbeit insbesondere für die Sekundarstufe II, es kann aber auch schon zum Abschluß der Sekundarstufe I behandelt werden, wenn die Sequenz an geeigneten Stellen didaktisch reduziert wird. In beiden Sekundarstufen bieten sich darüber hinaus fächerübergreifende Kooperationen mit Religion und Sozialkunde über handlungssoziologische und -ethische Fragestellungen an.

[1] Lehrplan Gemeinschaftskunde. Hrsg. Vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung. Mainz 1998, S. 24.
[2] Lehrplan Gemeinschaftskunde. Hrsg. Vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung. Mainz 1998, S. 67.

 

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