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Inge Zimmermann: "Ostarbeiter" in Kaiserslautern im Spiegel von Zeitzeugenerinnerungen

Arbeitsbedingungen und Behandlung der "Ostarbeiter"

Waren in der Unterbringung zwischen Arbeitern in der Industrie und Arbeitern in der Landwirtschaft schon große Unterschiede auszumachen, so war auch die Behandlung recht unterschiedlich. Arbeiter und Arbeiterinnen, die in unserem Raum in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiteten, berichteten nur in wenigen Fällen von schlechter Behandlung oder Übergriffen. Überwiegend wird von den wenigen heute noch lebenden ehemaligen Zwansarbeitern von einem guten bis ausgesprochen herzlichen Arbeitsklima gesprochen. Anders dagegen verhielt es sich in den vielen Arbeitslagern, wobei das Verhalten der einzelnen deutschen Arbeitskollegen durchaus sehr unterschiedlich sein konnte. Ein ehemaliger Ostarbeiter erzählt:

"Im Werk Kaiserslautern hat mir ein älterer Mann fast jeden Tag ein paar Butterbrote mitgebracht, was verboten war. Er hat sie an einem Platz versteckt, von wo ich sie immer genommen habe. In derselben Abteilung hat mir ein anderer Deutscher meine Beine mit kochendem Paraffin übergossen. Zusammen mit den Strümpfen hat man mir die Haut von den Knien bis zu den Füßen abgezogen. Eine junge Frau, Emma, hat mir eine Apfelsine gegeben, eine andere, Berta, hat das gesehen, sie nahm die Apfelsine fort und hat mir Ohrfeigen gegeben. In Völklingen wurden wir gezwungen, Maschinen zu reparieren. Ich habe mich geweigert. Der Meister hat mich mit Füßen getreten. Ich war voller Blut wie von Tinte übergossen."

Der damals 17-jährige Junge, der von sich selbst sagt: "Ich war dünn, nur Haut und Knochen", berichtet weiter:

"Im Dorf waren alle Leute und Hauswirte sehr gut zu mir. Meine Herrschaften hatten keine Kinder. Sie hatten einen Sohn, der mit 12 Jahren gestorben war. Als ich mich von meiner Wirtin verabschiedete, hat sie geweint." [16]

Auch über die Arbeitsbedingungen liegen Berichte von Betroffenen vor:

"In dieser Stadt (Kaiserslautern) war ein nicht großes metallurgisches Gußwerk, in dem vor dem Krieg Kanalisationsrohre aus Guß gefertigt wurden. Während des Krieges wurde die Produktion so umgestellt, daß man dort zwei Kaliber von Geschossen aus Stahl gegossen hat. Wir, das heißt cirka 250-300 Menschen aus der Ukraine, wurden vom Bahnhof mit Eskorte im Lager untergebracht, das sich neben dem Werk befand. Es gab ca. 20 Holzbaracken, zwei Mal mit einem 2-2,50m hohen Stacheldrahtzaun umgeben und mit dem Werk mit einem Durchgangstor verbunden. Wir vom Lager wurden jeden Morgen um 7 Uhr mit Eskorte ins Werk gebracht und um 7 Uhr abends wieder mit Eskorte in das Lager zurückgebracht. Wir haben 12 Stunden täglich gearbeitet. Es gab keine freien Tage. Im Werk haben wir Hilfsarbeiten geleistet: wir haben Erde für die Formung vorbereitet, die heiße Erde aus den gegossenen Teilen ausgeschlagen, Teile des Geschosses, 20-25 kg schwer, auf Loren geladen und in die Drehabteilung zur weiteren Bearbeitung gebracht.
Man ernährte uns schlecht und nur zwei Mal am Tag: morgens bekamen wir 200 Gramm Ersatzbrot zur Hälfte mit Holzmehl und halber Liter heißes Wasser, und abends halber Liter Suppe aus Kohlrübe oder Kohlrabi. ... Man ließ uns nicht in die Stadt gehen." [17]

Dieser Bericht spricht für sich und bedarf keiner Ergänzung. Wegen geringer Anlässe wurden oft harte Strafen verhängt. Auch darüber gibt das Stadttagebuch von Kaiserslautern Auskunft:

"Vor einigen Tagen ereignete sich in dem Rüstungsbetrieb der Fa. Pfaff ein besonderer Vorfall. Bekanntlich sind in dem Werk Ukrainer beschäftigt, die ihre eigene Dolmetscherin haben. Als bekannt wurde, daß die Russen Stalingrad zurückerobert hatten, teilte die Dolmetscherin dies den Ukrainern mit, die daraufhin in einem Raum des Betriebes einen Freudentanz aufführten. Sie wurden später von der Polizei abgeholt und auf die Polizeidirektion geführt, wo jedem einzelnen sowie der Dolmetscherin eine Tracht Prügel verabreicht wurde. Sie sollen zwei Tage lang geweint haben und hätten vor 'Runen' nicht mehr sitzen können." [18]

Am Kriegsende wurden allein in Kaiserslautern 1.400 Ostarbeiter von den Besatzungstruppen erfasst und in ihre Heimat zurückgeführt. Erfasst wurden aber nur die Insassen des Familienlagers "Am Waldschlößchen", des Lagers des Eisenbahnausbesserungswerkes, der Firma Gustav Preh, des Gusswerkes und des Lagers "am Harzofen". Daneben gab es aber noch viele andere Lager.
Unterlagen über diese anderen Firmenlager sind im Archiv der Stadt nicht zu finden. Die Unterlagen der Kammgarnspinnerei z.B. wurden bei einem Bombenangriff vernichtet.

 

[16] Brief vom 25.8.1995 von Frau A. Prokowjewna aus Chmelnickaja.
[17] Brief vom 20.12.1995 von S. N. Fiedorowitsch aus Sraskowoje.
[18] Stadttagebuch. Stadtarchiv Kaiserslautern.

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