Inge Zimmermann:
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Dieser Beitrag ist der
folgenden gedruckten Publikation entnommen: Hans-Georg Meyer, Hans Berkessel
(Hrsg.): "Unser Ziel - die Ewigkeit Deutschlands" (Die Zeit
des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz, Band 3). Verlag Hermann
Schmidt Mainz 2001, S. 72-78, ISBN 3-87439-453-0. Versöhnung mit den Opfern - ein Besuch in der Ukraine4. Juni 1992 Am 9. Juni um 13 Uhr stand ein "Gespräch mit einigen ehemaligen 'Ostarbeitern'" auf unserem Programm. Als wir den Saal betraten, erhoben sich etwa 300 Menschen von ihren Sitzen und klatschten Beifall, während wir sechs Deutsche zu unseren Plätzen auf der Bühne gingen. Ich schaute mich um. Männer und Frauen - alle mindestens 65 Jahre alt -, faltige, graue Gesichter, traurige Augen, die sich mit Tränen füllten. Nach der Begrüßung minutenlanges Schweigen. Dann stand eine Frau auf und erzählte leise, manchmal mit stockender Stimme, ihre Geschichte der Verschleppung. "Als 15-jährige wurde ich von deutschen Soldaten in meinem Heimatdorf auf der Straße festgenommen und zum Bahnhof gebracht. Mit vielen anderen steckte man mich in Viehwaggons. Ich hatte keine Möglichkeit, meinen Eltern oder den Nachbarn eine Nachricht zu geben. Dann waren wir viele Tage unterwegs." Ich saß auf meinem Stuhl und dachte an meine drei Kinder, die etwa im gleichen Alter waren. Sprachfetzen drangen an mein Ohr. "Man brachte uns nach Wilhelmshaven und später nach Delmenhorst. Schlafen auf feuchten Pritschen in einem Pferdestall - ständig Hunger - unter Bewachung arbeiten - von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends - das Mittagessen bestand aus einer dünnen Suppe - abends gab es 200 g Brot - Heimweh nach Mutter und den Geschwistern.“ "Nach der Befreiung lieferten die Amerikaner uns an die Sowjets aus. 1945 kam ich wieder nach Nikolajew zurück. In der Heimat Verhöre, Prüfungen und Misstrauen. Man warf uns vor, wir hätten mit dem Feind zusammengearbeitet." Viele der 300 ehemaligen "Ostarbeiter" standen auf und erzählten ihre Geschichte. Ihre Schicksale glichen sich, nur die Orte in Deutschland waren verschieden. Diese Menschen sprachen trotzdem ohne Haß und Verbitterung über Deutschland und ihr Schicksal. "Deutschland hatte Hitler, wir hatten Stalin", sagte ein Mann. Viele hatten ihre "Erinnerungen" aufgeschrieben und brachten uns die Briefe auf die Bühne, oft mit Bitten und Fragen verbunden: "Könnt ihr meinen 'Chef' oder 'meine Herrschaft' finden und ihnen Grüße ausrichten und sagen, dass ich noch am Leben bin!" "Danke, dass ihr zu uns gekommen seid, um mit uns zu reden." "Denken die Menschen in Deutschland noch an uns?" "Gibt es Gedenktafeln oder Grabsteine?" |