Christine Hartwig-Thürmer: Zwangsarbeit in Mainz-Gustavsburg 1942-1945 |
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Für Mainz-Gustavsburg, den 1930 von Mainz eingemeindeten rechtsrheinischen kleinen Industrieort, werden folgende Zahlen genannt:
Gemessen an der Einwohnerschaft des Ortes - 1925 waren es 2.255 Einwohner - war der Anteil der ausländischen Zwangsarbeiter 1942-1944 immens. Doch der Kontakt zwischen den Gustavsburgern und den Zwangsarbeitern blieb auf die Betriebe und vereinzelte Geschäfte beschränkt. Nicht nur der Sprachbarrieren wegen, sondern durch scharfe Vorschriften und massive Strafandrohungen wurden schon geringe Gesten der Zuwendung (Gruß, kurze Wortwechsel, Schenken von kleinen Mengen Lebensmitteln wie einem Apfel oder dem Frühstücksbrot) mit Inhaftierung geahndet. [13] ![]() Propagandafoto des M.A.N.-Lagers. Mehr als 30 Kinder wurden in diesem Lager geboren, so dass eine Säuglingsstation eingerichtet und eine Säuglingsschwester beschäftigt wurde. Ob die Kinder überlebten oder wie in vielen anderen Lagern umkamen, ist nicht bekannt. Gemäß der NS-Rassenideologie erließ die Gestapo umfangreiche und detaillierte Anweisungen zur "Behandlung der im Reich eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte und Kriegsgefangenen", abgestuft entsprechend der Hierarchie der "Rassen" - ganz unten Polen und Russen. [14] Auch wenn sie als "GEHEIM" gekennzeichnet waren, erreichten diese Anweisungen durch die NS-Funktionäre, den Sicherheitsdienst und die Abwehrbeauftragten in den Betrieben ihr Ziel, zwischenmenschliche Beziehungen, wie sie sich am Arbeitsplatz ergaben, zu tabuisieren und unter Strafe zu stellen. Es heißt u.a.: "Der Betriebsführer hat dafür zu sorgen, daß die seiner Gefolgschaft angehörenden deutschen Volksgenossen eine Berührung mit den Arbeitskräften polnischen Volkstums während der Arbeit auf das unbedingt notwendige Maß beschränken und außerhalb der Arbeit ganz vermeiden." [15] Bezogen auf die Ostarbeiter galt dies in noch schärferem Maße: "Auch für die Freizeitgestaltung gilt der Grundsatz, daß Ostarbeiter nicht mit Deutschen zusammenkommen dürfen." [16] Dennoch berichten Gustavsburger von vereinzeltem Näherkommen: als Dank für kleine Lebensmittelgeschenke eine Bleistiftzeichnung, ein Portrait der Spenderin von der künstlerisch begabten Russin; die Einladung zum Friedensfest nach der Befreiung für den Dolmetscher Theodor Rée und die Bäckereiverkäuferin Frau Daschmann und ihren Sohn Claus, weil sie - trotz Verwarnungen der Gestapo - den Franzosen und Russen helles Brot statt des schlecht verdaulichen "Russenbrotes" verkauft hatten. [17]
[13] So wurde Brigitte Moter aus
Gustavsburg, die bei Opel in Rüsselsheim gearbeitet und dort Zivilfranzosen
mit Brot und Äpfeln versorgt hatte, ins Frauenkonzentrationslager
Ravensbrück eingeliefert. Siehe: Arnold Busch, Widerstand im Kreis
Groß-Gerau 1933-1945, Groß-Gerau 1988, sowie ders. in: Hartwig-Thürmer
1989, S. 89f. Von den Gustavsburger Firmen M.A.N., VDM und Schiffswerft
ist keine Bestrafung überliefert, aber alle Zeitzeugen, die Zwangsarbeitern
etwas zugesteckt hatten, wussten von dieser Bedrohung. | ![]() |