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Christine Hartwig-Thürmer: Zwangsarbeit in Mainz-Gustavsburg 1942-1945

Die Zeugen in dem Prozess, die die Vorwürfe erhoben und auf die sich der Betriebsrat gestützt hatte, wussten das meiste nur vom Hörensagen; Unterlagen seien vernichtet worden. Das größte Hindernis bei der Wahrheitssuche war und ist aber: Die vielen betroffenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie etwa dreißig überlebende Kinder haben selbst nicht ausgesagt. Sie konnten nicht Stellung nehmen, denn sie waren am 19./20. März 1945 nach Darmstadt geführt worden. Der stellvertretende M.A.N.-Lagerleiter Adam Regner brachte die sogenannten "Westarbeiter" (Franzosen, Belgier, Luxemburger) auf Anweisung in das dortige Woolworthgebäude; die rund 900 "Ostarbeiter" (Russen, Weißrussen, Ukrainer, Polen), darunter Frauen und Kinder, mussten weiter nach Griesheim in die Wagenhalle der Straßenbahn. [3]

Ihr weiteres Schicksal ließ sich bisher nicht erhellen. Ein Meister bei der M.A.N. sagte uns in einem Interview 1986: "Die Soldaten haben erzählt, die Gefangenen seien wieder nach Hause gekommen. Die Belgier haben mal von daheim geschrieben. Von den Russen hat man nichts mehr gehört. Die kamen auf Sammeltransport nach Rußland."

Rund 150.000 Reichsmark an Löhnen vom Februar und März 1945 konnten nicht an die ausländischen Arbeitskräfte ausgezahlt werden, "da die Ausländer seinerzeit über Nacht abbefördert wurden und das Geld nicht mitnehmen konnten."

Von 32 Todesfällen von Zwangsarbeitern berichten die Friedhofsakten der Gemeinde. Zumeist sind Krankheiten als Todesursache angegeben, fünf Menschen kamen bei Fliegerangriffen um (es war den sogenannten "Fremdarbeitern" verboten, Bunker aufzusuchen; sie mussten in den Splittergräben Schutz suchen); ein Franzose und ein Jugoslawe haben den Freitod gewählt; Francois Delaire wurde im Dezember 1944 in Ginsheim ermordet. [4] Die Gräber auf dem Gustavsburger Friedhof wurden eingeebnet, jeglicher Hinweis fehlt. Auch über den Mordfall waren keine weiteren Hinweise zu finden.

 

[3] Siehe die Akte des Spruchkammerverfahrens des stellvertretenden Lagerleiters, Adam Regner, im Hess. HStA, Abt. 520 und die Darstellung in Hartwig-Thürmer 1989, S. 220.
[4] vgl. Hartwig-Thürmer, Mainspitze unterm Hakenkreuz, 1989, S. 240f.

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