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Hedwig Brüchert: Zwangsarbeit 1939-1945 – der "Arbeitseinsatz" von zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in den Regionen des heutigen Landes Rheinland-Pfalz.

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion: Menschen als Kriegsbeute

Entscheidung für den "Ostarbeiter"-Einsatz

Nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 war von der Führung des NS-Staates zunächst lediglich die Ausbeutung der materiellen Ressourcen in den besetzten Gebieten geplant. Der Hungertod von Millionen von einheimischen Menschen wurde kaltblütig einkalkuliert. Auch Millionen von sowjetischen Kriegsgefangenen ließ man in den Lagern verhungern, da man glaubte, auf sie verzichten zu können. Erst als sich der schnelle Endsieg nicht einstellte, erkannten die NS-Wirtschaftsführer, vor allem der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, den unermesslichen Wert des Arbeitskräftepotentials im Osten.
Das Hereinholen der bisher von der Nazi-Propaganda stets verteufelten "Untermenschen" und "russischen Bestien" in das eigene Land stellte jedoch ein ideologisches Problem dar. Mit der angeordneten gefangenenmäßigen Unterbringung sowie einer bewusst diskriminierenden Behandlung und schlechten Ernährung der "Russen", ergänzt durch ein rigides Bestrafungssystem bis zur standrechtlichen Exekution, wollten die NS-Behörden die deutsche Bevölkerung beruhigen.

Zivilarbeitskräfte aus der Sowjetunion

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Aufstellung der Lager mit Zivilarbeitern aus den alt-sowjetrussischen Gebieten in der Saarpfalz, 30.06.1942 (LA Speyer H 45, 4108)

Im Winter 1941/42 trafen die ersten größeren Gruppen von sowjetischen Zivilarbeitern in Deutschland ein. Sie wurden von den Arbeitsämtern überwiegend Industrie- und Gewerbebetrieben zugewiesen, ein kleiner Teil arbeitete in der Landwirtschaft oder in Privathaushalten.
Viele der sowjetischen Arbeitskräfte waren noch im jugendlichen Alter von unter 20 Jahren. Die meisten litten stark unter Heimweh. Auf die "Ostarbeiterinnen" fanden die Arbeiterinnenschutzgesetze, die für deutsche Frauen galten, keine Anwendung. Sie mussten in der Industrie und in der Landwirtschaft ebenso hart arbeiten wie die Männer.
Dokument: Fritz Sauckel auf einer Tagung der Arbeitseinsatzstäbe am 6.1.1943

Mit der Fortdauer des Krieges, der sinkenden Bereitschaft der Bevölkerung in den besetzten östlichen Gebieten zur freiwilligen Arbeit in Deutschland und zunehmender Partisanentätigkeit wurden die Rekrutierungsmethoden immer brutaler. 1943/1944 wurden häufig ganze Familien mit Kleinkindern und alten Leuten gewaltsam nach Deutschland verschleppt, ihre Dörfer oft verwüstet und niedergebrannt.

Auch im Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz mussten viele Zehntausende von sowjetischen Männern, Frauen und Kindern Zwangsarbeit verrichten.

Bei der Ankunft in Deutschland wurden die Männer und Frauen aus der Sowjetunion zunächst in die Durchgangslager der einzelnen Arbeitsamtsbezirke gebracht. Dort wurden sie desinfiziert und untersucht. Danach erfolgte die Zuweisung an die Arbeitgeber der Region. Das Verteillager für den Arbeitsamtsbezirk Pirmasens war etwas außerhalb der Stadt, in der Gemarkung der Gemeinde Donsieders, gelegen und trug die offizielle Bezeichnung: "Durchgangslager (Dulag) Pirmasens-Nord"; manchmal wurde es auch "Lager Biebermühle" genannt. Unmittelbar daneben befand sich ein großes Fremdarbeiterlager der Reichsbahn, Bahnmeisterei Pirmasens-Nord.

                                   

                            Abb.: Ostarbeiter im Durchgangslager (Dulag) Pirmasens

Erkrankte Zwangsarbeiter wurden in der Regel in die Krankenstation des Durchgangs-lagers zurückgebracht. Schwerkranke wurden im dazugehörigen Ostarbeiterkrankenhaus im benachbarten Waldfischbach behandelt. Hier war Personal aus der Sowjetunion eingesetzt. In den Durchgangslagern der Arbeitsämter wurden meist auch Entbindungen und Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Die Sterberate der in solchen Lagern geborenen "Ostkinder" war sehr hoch.

Ausländerinnen und Ausländer, die im Durchgangslager Pirmasens-Nord oder im Krankenhaus Waldfischbach starben (darunter auch mehrere Dutzend Kinder), wurden anfangs auf dem Gemeindefriedhof von Donsieders beerdigt. Als dort der Platz nicht mehr ausreichte, wurde außerhalb des Ortes, auf Ackergelände am Hang oberhalb des Lagers, ein eigener Ausländerfriedhof angelegt, auf dem zahlreiche Männer, Frauen und Kinder aus der Sowjetunion bestattet wurden. Hier wurden auch die im Reichsbahnlager Pirmasens-Nord oder bei anderen Arbeitgebern in der Umgebung Verstorbenen beigesetzt, darunter auch etliche polnische Zivilarbeiter sowie einige Kriegsgefangene aus verschiedenen Ländern, deren Arbeitskommandos in der Umgebung zur Arbeit eingesetzt waren.

Im Juli 1950 wurden auf Anordnung der französischen Militärregierung 504 Tote auf dem Ausländerfriedhof in Donsieders exhumiert und in das Ehrenfeld für sowjetische Opfer des Nationalsozialismus auf dem Waldfriedhof in Mainz-Mombach umgebettet.

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