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Jan Storre: Zwangsarbeit in Speyer 1939 bis 1945

Während für die Unterbringung der zivilen Zwangsarbeiter nur sehr spärlich Unterlagen vorliegen, lässt sich die Ausstattung der Unterkünfte in Speyer besonders gut für die Kriegsgefangenenlager nachvollziehen. Hier kann auf unterschiedliche Rechnungen, Bauvorschriften und Inventarverzeichnisse zurückgegriffen werden. Für die Konzeption von Kriegsgefangenenunterkünften gab es detaillierte Bestimmungen. [5] Die "Bauvorschrift für die Erstellung von Umzäunungen von Kriegsgefangenen-Lagern" sollte die Sicherheit gewährleisten und die Kontrolle der Gefangenen für die Wachposten erleichtern. Vorgeschrieben war eine Stacheldrahtumzäunung, angelegt als Doppelzaun mit einer Mindesthöhe von 2,5 Metern. Für den äußeren Zaun sah die Bauvorschrift die Installation von den Luftschutzbestimmungen entsprechenden Tiefenstrahlern vor, deren Lichtkegel sich überschnitten. Jede Lagerumzäunung durfte grundsätzlich nur ein Haupttor sowie eine Eingangspforte haben. Der Abstand zwischen dem Zaun und den Baracken sollte im Idealfall drei Meter betragen. Zwischen Zaun und Wohnbaracken mussten zudem sog. ‚Warndrähte' gezogen werden, die die Kriegsgefangenen vom eigentlichen Zaun abhalten sollten. Diese Warndrähte waren wiederum mit Warnschildern zu versehen, deren Wortlaut ebenfalls genau festgelegt war. In der jeweiligen Heimatsprache der Kriegsgefangenen stand auf den Schildern: "Halt! Wer den Warndraht überschreitet wird ohne Anruf erschossen." Darunter sollte in deutscher Sprache stehen: "Das Überschreiten der Warndrähte ist mit Lebensgefahr verbunden" [6]. In der Empfangsbestätigung macht die Stadt deutlich, dass sie der Aufforderung der Kreiskontrollstelle, die Umzäunungen zu ergänzen, nicht entsprechen könne, da "die notwendigen Materialien hierzu, wie Stacheldraht und Holz, die der Kriegsbewirtschaftung unterstehen, nicht zur Verfügung stehen" [7]. Auch fehlten Bedarfsscheine für den Bezug der Materialien sowie die zur Ausführung der Arbeiten notwendigen Arbeitskräfte. Ein Mangel an allen Ecken und Enden also, der die detaillierten Bauvorschriften, die selbst die Ausrichtung der Lichtkegel der Tiefenstrahler regeln sollten, nahezu grotesk erscheinen lässt.

Sicherheitsbedenken bestanden allerdings nicht erst seit dem Herbst 1943. Bereits im September 1941 bemängelte der für die Bewachung der Gefangenen zuständige Hauptmann und Kompanie-Chef der 2. Kompanie des Landesschützenbataillons 434, dass die Fenstersicherungen in den Wohnbaracken der Lager Kuhweide und Eselsdamm völlig unzureichend seien. Nach den Vorschriften genüge eine Stacheldrahtsicherung allein nicht, vielmehr müssten die Fenster durch Eisenstäbe gesichert sein [8].

Im Idealfall war für jeden Kriegsgefangenen ein Bett vorhanden. Dass dies in der Praxis nicht immer der Fall war, kritisierte am 28. August 1941 der oben erwähnte Hauptmann. Der Kreiskontrolloffizier habe der Kompanie gemeldet, dass für zwölf Kriegsgefangene keine Betten vorhanden seien. Der Hauptmann bezeichnete dies als unhaltbaren Zustand und drohte auch in diesem Schreiben mit einem Abzug der Kriegsgefangenen, falls die Stadtverwaltung den Mangel nicht bis zum 5. September behoben habe.

[5] Vgl. Otto, Reinhard: Wehrmacht, Gestapo und sowjetische Kriegsgefangene im deutschen Reichsgebiet 1941/42. München 1998 (Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 77), S. 28.
[6] Vgl. SA Sp. 6, VII, H 16, c-e. Die Bauvorschriften wurden der Stadt Speyer am 27.9.43 von der Kreiskontrollstelle zugesandt, verbunden mit der Aufforderung, die notwendigen Ergänzungen hinsichtlich der Lagerumzäunung an den Lagern Kuhweide und Eselsdamm vorzunehmen.
[7] Vgl. ebd. Die Situation in Speyer scheint durchaus typisch. Auch Otto weist darauf hin, dass es in den wenigsten Fällen gelang, die Kriegsgefangenenlager gemäß den Vorschriften zu errichten (Vgl. Otto: Wehrmacht, Gestapo und sowjetische Kriegsgefangene, S. 30f.).
[8] Vgl. SA Sp. 6, VII, H 16, c-e: Wie ernst es dem Hauptmann mit seinen Sicherheitsbedenken ist, zeigt seine Drohung, die Kriegsgefangenen abzuziehen, falls die Stadt Speyer die notwendigen Verbesserungen nicht bis zum 20. September durchgeführt habe.

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